Rede zur Einbringung des Haushaltsentwurfs 2025
Rede zur Einbringung des Haushaltsentwurfs 2025 von Landrat Zeno Danner in der öffentlichen Kreistagssitzung des Landkreises Konstanz am 4. November 2024.
Wir leben in einem freien Land!
Meine Damen und Herren,
wir leben in einem Land, in dem wir alle gegenüber dem Staat das Recht haben, unseren Lebens-weg, unsere Entwicklung selbst zu bestimmen, unsere Meinung zu sagen, unsere Religion auszu-üben, unsere Berufe zu wählen, zu entscheiden, wo und wie wir wohnen wollen, zu wählen, wer uns regieren soll und vieles mehr.
Wir als Kreistag sind allerdings nicht ganz frei in unserem Tun. Es ist unsere unumstößliche Pflicht, den Menschen im Landkreis Konstanz diese Freiheit zu ermöglichen! Das kostet Geld – viel Geld! Es ist Ausdruck dieses freien Landes und zugleich unserer Unfreiheit als Kreistag, dass es nicht einen „großen Macker“ gibt, der für alle entscheidet, wie das einige fordern oder gerne hätten. Sondern wir müssen mit großem Engagement, gegenseitigem Verständnis und Kompro-missbereitschaft austarieren, wie viel Geld wir wofür ausgeben, und vor allem, wie viel Geld wir über die Kreisumlage von den Städten und Gemeinden im Landkreis für die überörtlichen Belan-ge bekommen können, so, dass die ihre Aufgabe auch erfüllen können. Im Kern ist das dieselbe – Freiheiten ermöglichen.
Und das ist auch der Kern der im Grundgesetz verankerten kommunalen Selbstverwaltung, mit der die Bundesrepublik 75 Jahre lang gut gefahren ist: auf der örtlichen Ebene entscheiden, was es vor Ort braucht und was man sich leisten kann. Wir alle unterliegen hier als Verwaltungen – als Staat – gewaltigen Zwängen. Wenn der Staat Zwängen unterliegt, ist das zunächst nichts Be-unruhigendes. Der Staat ist ja für die Menschen da, nicht umgekehrt. Übrigens in Deutschland zum Glück für alle Menschen, nicht nur für die, die in ein bestimmtes Schema passen!
Schwierig wird es allerdings, wenn der Staat diesen Zwängen nicht mehr nachkommen kann. Und das hängt eng mit der Kehrseite der Freiheit zusammen – der Verantwortung! Wer die Freiheit hat, seinen Lebensweg und seine persönliche Entwicklung zu bestimmen muss auch die zugehöri-gen Entscheidungen treffen und die Risiken tragen. Wer seine Meinung sagt, trägt die Verant-wortung für seinen Ton und seine Worte und was daraus folgt. Wer den Staat schlecht macht und ununterbrochen das System, Funktionsträger und etablierte Parteien zu verleumden trachtet, und untergraben will, geht liederlich mit dieser Verantwortung um – und ist im Übrigen nicht Opfer, sondern Täter.
Fallen wir nicht auf diese Scharlatane rein, die uns ihr giftiges Gebräu aus Halbwissen, Kleingeist, Neid, Missgunst, Fremdenfeindlichkeit und Ahnungslosigkeit als Elixier verkaufen wollen und für die ebendas giftige Gebräu ihr Lebenselixier ist. Zur Meinungsfreiheit gehört auch, dass wer wählen darf, sich zu informieren hat und zwar möglichst nicht bei TikTok und ähnlichem, sondern bei der freien Presse, die ebenfalls ihre große Verantwortung tragen und Qualität liefern muss.
Wer Berufsfreiheit genießt, muss auch versuchen einen Beruf zu ergreifen, für sich selbst zu sorgen und er muss die damit einhergehenden Risiken tragen. Wir als Staat müssen dafür den Rahmen und Chancen bieten, was wir zum Beispiel mit unserem Berufsschulzentrum im Bau tun.
Meine Damen und Herren,
wir können nicht als Staat Freiheit von Risiko für die Menschen liefern, die bei uns leben. Und das ist auch nirgends als Aufgabe definiert. Im Leben sind die Menschen eigenverantwortlich. Wenn ein klei-nes Kind auf die Straße rennt und von einem Auto erfasst wird, ist das eine Tragödie. Aber die erste Frage muss sein: „Wo waren die Eltern?“, nicht: „Hat der Bürgermeister etwas falsch gemacht?“ Wer in den Wald geht, muss damit rechnen, dass ihm ein Ast auf den Kopf fällt. Das sollte auch gelten, wenn man sich auf ein Bänkle unter einem Baum setzt, siehe heutiger Aufmacher im Südkurier.
Wenn wir jegliches Restrisiko aus dem Schwimmunterricht ausschließen wollen, wird es keinen mehr geben und viele Kinder werden nicht schwimmen lernen. Und in der letzten Konsequenz müsste man auch Schwimmbäder und Badestellen schließen, was zum Teil ja schon geschieht. Wenn wir für alles Verkehrssicherungspflichten des Staates, verbunden mit persönlicher Haftung für die entschei-denden Amtsträger, einführen, werden wir den freiheitlichen Staat weder finanzieren noch in seiner Ausführbarkeit aufrechterhalten können. Ganz abgesehen davon, wie freiheitlich er noch ist, wenn wir den Menschen die Kehrseite der Freiheit – die Eigenverantwortung – möglichst komplett abneh-men und durch Verbote ersetzen beziehungsweise die freiheitgebende Infrastruktur schließen und abbauen.
Der Südkurier hat dazu ja heute einen Kommentar veröffentlicht, der es ganz gut trifft, allerdings mit einer relevanten Fehleinschätzung: Es ist nicht ein Staatssekretär, der sich eine Verkehrssicherungs-pflicht ausdenkt. Es sind zunächst die Gerichte, die Verkehrssicherungspflichten entwickeln, weil Einzelne ihr Unglück und ihre Eigenverantwortung nicht akzeptieren können und Schuldige suchen. Auch die Presse muss sich hier ihrer großen Verantwortung bewusst sein und sich im Einzelfall fra-gen, ob sie das große Ganze im Blick hat oder lieber den gefühligen Einzelfall.
Und wenn wir denen, die Verantwortung übernehmen, die Berufe ergreifen, Unternehmen gründen, Risiken eingehen, – wenn wir denen keinen Freiraum lassen und nichts von ihren Früchten, dann werden wir erst recht mittelfristig kein Geld mehr haben. Denn – seien wir uns dessen sehr bewusst – jeder Cent, den wir ausgeben, wurde zuvor von jemandem erwirtschaftet, der oder die Verantwor-tung übernommen hat.
Als Kreisverwaltung und als Landrat sind wir uns dieser Verantwortung sehr bewusst. Wir haben Ihnen daher einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der versucht mit diesen Themen umzugehen, insbe-sondere mit einem erträglichen Ausgleich zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen im Land-kreis. Im Ihnen vorliegenden Entwurf gehen wir von einer benötigten Kreisumlage von 36,6 Prozent aus. Ich verbinde diese Zahl mit der klaren Zusage, dass ich wieder bei einem Hebesatz von 34 Pro-zent ankommen möchte. Da die Steuerkraftsumme der Städte und Gemeinden gesunken ist, würden wir damit circa fünf Millionen Euro weniger Kreisumlage in absoluten Zahlen bekommen. Die heute vorgelegte Änderungsliste belegt, dass wir uns da große Mühe geben.
Gleichzeitig werden wir für unsere großen investiven Jahrhundertaufgaben – das Berufsschulzentrum in Konstanz und der Krankenhausneubau in Singen – erhebliche Schulden aufnehmen müssen. Plan-mäßiger Schuldenstand Ende 2025 werden 128,5 Millionen Euro sein, Tendenz deutlich steigend. Zu-dem werden wir sehr stark an unsere zukünftigen Haushalte rangehen. Wir werden die mittelfristi-gen Kreisumlagehebesätze im Vergleich zu den vorgelegten Zahlen deutlich senken müssen. Wir wer-den erheblich auf Landesmittel für unsere Krankenhäuser, im Sozialbereich, zum Beispiel beim Bundesteilhabegesetz, und auf vielen weiteren Verwaltungsgebieten angewiesen sein.
Es ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen, wenn Bund und Land große Ziele verfolgen. Es ist un-abhängig von den einzelnen zum Teil schwierigen Umsetzungsvorgaben zu begrüßen, wenn beide die untere staatliche Eben bzw. die Kommunen als die dafür relevante und kompetente Ebene erkennen. Aber es ist eine Vernachlässigung der kommunalen Selbstverwaltung, wenn Landkreise, Städte und Gemeinden nicht die dafür notwendige finanzielle Ausstattung bekommen und nicht berücksichtigt wird, ob die Aufgaben personell zu stemmen sind!
Meine Damen und Herren,
Um unsere Aufgaben stemmen zu können, werden wir alle zusammen engagiert daran arbeiten müs-sen, dass wir eine florierende Wirtschaft im Landkreis haben. Für sie müssen wir attraktive Rahmen-bedingungen erhalten und schaffen. Dazu gehört gerade bei uns auch eine intakte und gleichzeitig erfahrbare Natur, denn die macht einen wesentlichen Teil unserer Attraktivität und auch unserer Zukunftsfähigkeit aus.
Liebe Kreisrätinnen und Kreisräte,
es wird uns gelingen. Die Details werden wir in den kommenden Wochen und auch in den kommen-den Jahren beraten. Die Herausforderungen sind riesig – sind sie aber immer, und wenn es einfach wäre, bräuchte es uns nicht. Wir werden unsere Freiheiten auch in Zukunft und für die Zukunft erhalten! Und, wenn nicht wir, wer soll es dann schaffen?
Herzlichen Dank!